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Quartier: Post vom Finanzamt zu unserem Demokratie-Engagement

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In diesen Tagen erreichte uns ein Schreiben des Finanzamtes Darmstadt, welches sich mit dem Titel “Verteilung von Flugblattaktionen” mit unseren Aktionen für Demokratie & Vielfalt beschäftigt. Und das hat deutliche Folgen für uns…

Leserinnen und Leser dieses Blogs wissen, dass wir angesichts der ungeheuerlichen Potsdam-Enthüllungen der Redaktionsgruppe CORRECTIV, die im Januar diesen Jahres zu vielen hundert Demonstrationen gegen Rechtsradikalismus von hundertausenden Menschen in Deutschland geführt haben, eine großangelegte Flugblatt- und Plakataktion für Demokratie und Vielfalt gestartet hatten.

Hier ein kurzer Rückblick:

Unsere Flugblattaktion hatte dann eine Strafanzeige der AfD Darmstadt gegen Bastian Ripper, den Vorsitzenden unseres Vereins Zusammen in der Postsiedlung e.V. zur Folge, die aber von der Staatsanwaltschaft Darmstadt postwendend als unbegründet abgewiesen wurde:

In unserer Kampagne für Demokratie & Vielfalt engagierten wir uns anschließend vielfältig vor der Europawahl 2024 und veranstalteten u.a. mehrere “Argumente gegen Stammtisch-Parolen” – Workshops:

Diese Aktivitäten mündeten schließlich in einer weiteren großen Flugblatt-Aktion, in der wir dazu aufgerufen haben das Wahlrecht zu nutzen und bei der Europawahl demokratische Kräfte zu stärken:

Alle Veranstaltungen kumulierten schließlich in einer Veranstaltung am Wahlsonntag unter dem Motto “Zusammen frühstücken und wählen gehen”:

Soweit eine kurze Zusammenfassung einiger unserer Aktivitäten für Demokratie & Vielfalt.

Unsere Aktivitäten haben dazu geführt, dass rechte Aktivisten unseren Verein entdeckt haben: E-Mails, Telefonanrufe und Denunziation bei Behörden. Wir sollen beschäftigt werden und mussten uns bspw. gegenüber Behörden für den Vorwurf rechtfertigen, wir wären durch unsere Flugblatt-Aktionen zu Herausgeber einer Zeitung geworden, mit sämtlichen Pflichten in diesem Kontext. Natürlich haben wir auch die rechtsradikale Aufkleber-Aktion an unserem Umsonstladen mit der Aufschrift “Den linken Terror stoppen!” wahrgenommen und diese entfernt.

Das Finanzamt Darmstadt kommt nun in seinem aktuellen Schreiben zu unseren Demokratie & Vielfalt Aktivitäten zu folgendem Urteil:

“Gemeinnützigkeit für das Jahr 2024: Aufgrund des Umfangs der Flugblattaktionen (Anzahll der gedruckten Flyer) gehe ich davon aus, dass hier eine Fehlverwendung von Vereinsmitteln vorliegt. Da die Flugblattaktionen nicht der Erfüllung der Vereinszwecke dienen, dürfen hierfür keine Mittel des Vereins eingesetzt werden.”

“Es sind also nur Tätigkeiten zulässig, die auf Gefahren für die Demokratie hinweisen. Nicht zulässig ist jedoch eine konkrete Befürwortung oder Ablehnung einzelner Parteien und deren Programme als solches.”

Im weiteren Verlauf des Schreibens werden wir dann aufgefordert, sämtliche Vereinsgelder in diesem Kontext auszugleichen (wieder auf Konto einzuzahlen). Unsere Verwendung der Gelder hierfür würde nicht dem Gemeinwohl dienen. Woh!

Um den Inhalt dieses Schreibens auf den Punkt zu bringen: Ein gemeinnütziger Verein darf also – nach dieser Lesart des Finanzamtes – nicht publizieren, dass er sich für Demokratie & Vielfalt einsetzt und rechtsextremistische Agitationen von Parteien wie AfD, Die Heimat (ehemals NPD), Der III. Weg oder Freie Sachsen usw. ablehnt.

Bedeutet: Schweigen statt Einsatz für demokratische Werte. Wir hätten es nicht für möglich gehalten, im Jahr 2024 eine solchen Maulkorb verhängt zu bekommen.

Was wir seit Erhalt des Schreibens getan haben:

  1. Vorstandsmitglieder haben ihre privaten Girokonten geplündert und das gesamte Geld unserer Aktivitäten der Flugblatt- und Plakataktionen zu Demokratie & Vielfalt wieder auf das Vereinskonto eingezahlt.
  2. In einer außerordentlichen Mitgliederversammlung werden wir in diesen Tagen hierüber beraten.
  3. Wir werden diskutieren, auf welcher Plattform wir künftig unser Engagement für Demokratie & Vielfalt in Darmstadt-West und Alt-Bessungen ausüben werden.

Unsere Einordnung dieser Ereignisse:

  1. Aus unserer Sicht ist nicht das Finanzamt Darmstadt und dessen Schreiben Kern der Problematik. Dort wird – auch wenn vermutlich Hinweise von Dritten die Ursache sind – auf Basis sehr ungenauer Bundesgesetze agiert.
  2. Wir empfinden es allerdings als bizarr, dass die regierende Koalition, trotz dramatischer Brandreden gegen Rechtsradikalismus (Bundespräsident, Bundeskanzler, Vizekanzler, Chef des Bundesamts für Verfasssungsschutz) und vielerlei Aufrufen, dass sich “die Zivilgesellschaft” gegen die Feinde der Demokratie engagieren müsse, dessen Akteure nicht vor solchen Repressalien schützt.
  3. Jeder gemeinnützige Verein in Deutschland, der sich aktiv für Demokratie und Vielfalt einsetzt, muss fürchten seine Gemeinnützigkeit zu verlieren. Und damit seine Existenz. Das hätte die AfD nicht besser machen können. Warum lässt das die rot-grün-gelbe Koalition zu?

Unser Einstehen für demokratische Werte wird somit mit diesem Finanzamt-Schreiben zum teuren Privatvergnügen des Vereinsvorstands. Alle künftigen Initiativen in gleicher Thematik ebenfalls.

Wer jetzt denkt, dann spende ich Zusammen in der Postsiedlung e.V. doch ein wenig Geld aufs Konto, dem sei gesagt, dass uns dies nur in weitere Schwierigkeiten bringt. Wir dürfen kein Geld für diese Aktionen ausgeben und dementsprechend auch keine weiteren Spendengelder mit diesem Zweck hierzu annehmen. Daher werden wir dies auch nicht tun!

Wer helfen möchte, der kann unserem Vorstand (Anke, Bastian, Claudius) eine private Unterstützung abseits von Überweisungen zukommen lassen, damit diese nicht als Privatpersonen auf den vierstelligen Ausgaben sitzen bleiben. Und das finden wir fast das Schlimmste: Das wir durch die äußerst mäßige Leistung des Gesetzgebers in Berlin in eine Situation gebracht werden, dass wir fast schon klandestin Geld in bar sammeln müssen, um nicht selbst privat in die roten Zahlen zu kommen. Das ist doch der Hammer!

Fazit: Noch ist ein Jahr Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl. Noch ist Zeit das geltende Recht so zu ändern, dass engagierte Demokratinnen und Demokraten in Vereinen ihren Einsatz für unsere Demokratie nicht teuer bezahlen müssen! Welcher Verein in der oft beschworenen “Zivilgesellschaft” engagiert sich denn noch gegen die Gefahren von Rechtsradikalismus, wenn deutsche Behörden das zum Anlass für schmerzliche Sanktionen gegen die Verantwortlichen machen?

Diese aktuelle Gesetzeslage ist nach den Wahlsiegen im Osten ein weiterer Erfolg für die Feinde der Demokratie…

Die Postsiedlung – Solidarität findet Stadt.